Evangelisation & Evangelium

9 Merkmale einer gesunden Mission

Von J. Mack Stiles

J. Mack Stiles ist Pastor der Erbil International Baptist Church in Erbil (Irak). Er schon ist zu vielen Orten gereist und hat dort gelebt und war an der Studentenarbeit, der Gemeindeerneuerungen und Gemeindegründungen beteiligt.
Artikel
01.06.2023

„Nun, Mack, was können wir für dich tun?“

Diese gutgemeinte Frage wurde mir einmal gestellt, nachdem ich einen – wenn ich es so ausdrücken darf – starken Vortrag über unsere Missionsarbeit in einer schwierigen Region von Guatemala gehalten hatte.

Wer mich kennt und diese Frage stellt, weiß, dass er nun besser auf sein Portemonnaie achtgeben sollte. Vor Jahren begriff ich, dass das mir zur Verfügung stehende Geld selten für die vor mir liegende Vision ausreichte. Und dieser Mann kannte mich; er fragte nicht so sehr, was ich brauchte, sondern viel mehr wie viel.

Meine Antwort überraschte ihn.

„Das Beste, was du für mich tun kannst“, sagte ich, „ist sicherzustellen, dass du deine Gemeinde gesund hältst. Ich kann die Arbeit auf dem Missionsfeld nicht erledigen, wenn die Gemeinden hier nicht gesund sind.“

Ich bin davon wirklich überzeugt. Und das sind die Gründe dafür:

1. Gesunde Gemeinden halten am Evangelium als Zentrum der Mission fest. Ungesunde Gemeinden werden mit den neuesten Modeerscheinungen in der Mission hinweggefegt.

Eine gesunde Gemeinde wird sorgfältig und behutsam die Mission unterstützen, die auf das Evangelium ausgerichtet ist. Sie ist zudem darauf bedacht, die Grenzen und Versuchungen kultureller Sensibilität und Kontextualisierung zu verstehen und zu lehren.

Der Druck und die Versuchung sind groß, uns für eine Kultur „relevant“ zu machen. Es ist folglich äußerst einfach, den Fehler zu machen, die Botschaft des Evangeliums zu verändern. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass „relevante“ und übertrieben kontextualisierte Mission der schnellste Weg zur Irrlehre ist. Wir sollten nie vergessen, dass die härtesten Worte des Paulus denen vorbehalten sind, die ein anderes Evangelium predigen (Gal 1,8).

Der kulturelle Kontext ist immer eine Herausforderung, aber kein Trumpf. Anders ausgedrückt: Die Anthropologie darf nie die Theologie übertrumpfen. Wir können es uns nicht leisten, die Botschaft des Evangeliums an den Kontext anzupassen.

2. Gesunde Gemeinden sind großzügig. Ungesunde Gemeinden geben Missionaren nur ein „Trinkgeld“.

So wie ihr eure Gemeindemitglieder aufruft, großzügig und fröhlich in ihrem Geben zu sein, so hat die Gemeinde als Gemeinschaft die Chance, das vorzuleben, was sie predigt. Gebt Missionaren nicht nur ein Trinkgeld, sondern steht wirklich hinter ihnen. Wählt gute Mitarbeiter aus und unterstützt sie auf lange Sicht – und unterstützt sie großzügig.

Ich erinnere mich daran, eine kleine Gemeinde besucht zu haben, von der mir gesagt wurde, dass sie missionarisch sehr engagiert sei. Dies sollte durch die Stecknadeln auf einer Weltkarte im Foyer unterstrichen werden. Doch als ich nachforschte, schien ihre Weltkarte eher ein Bild von einer sich ausbreitenden Missionsgemeinde geben zu wollen, als dass sie das Evangelium tatsächlich in signifikanter Weise vorantrieben. Diese Gemeinde hat Dutzende von Missionaren unterstützt, aber es waren jeweils kleine Spenden von $25 pro Monat. Gebt Missionaren kein Trinkgeld. Es ist besser, wenn ihr euch bewusst hinter einen einzigen Missionar stellt, als auf der ganzen Weltkarte verteilt zu sein.

3. Gesunde Gemeinden unterstützen die richtigen Missionare. Ungesunde Gemeinden unterstützen die falschen Missionare: ein doppeltes Problem.

Wenn Gemeinden ungesund sind, neigen sie dazu, unsicher darüber zu sein, wer ausreisen und wer unterstützt werden sollte.

Ich nenne es das 747-Prinzip. Das heißt: Sich in eine Boing 747 zu setzen, wird dich nicht heiliger machen. Die Sünde, die du hier in der Heimat hast, wird dir in die Mission folgen. Ich wünschte, es wäre so einfach, durch den Kauf eines Flugtickets in der Heiligung zu wachsen, aber Herzensveränderung findet nicht durch Luftveränderung statt.

Die Gemeinden sollten die Berufung des Einzelnen durch Taten bestätigen können, die er in seiner Heimat getan hat. Wenn die Person keinen fruchtbaren Dienst dort hat, wo sie wohnt, wird sie dies in der Regel im Ausland auch nicht haben. Du wirst es nicht glauben, aber einige Gemeindeleiter haben mir sogar gestanden, dass sie eine schwierige Person durch deren Dienst im Ausland losgeworden sind.

Liebe Freunde, bitte schickt uns keine Leute, es sei denn, sie können dort dienen, wo sie sind. Schickt uns Leute, die ihr anstellen oder als Älteste wählen würdet. In Apostelgeschichte 13 sendet die Gemeinde in Antiochia Paulus und Barnabas aus. Was für ein Opfer! Gott wird dich und deine Gemeinde ehren, wenn du dasselbe tust.

Der Grund dafür ist, dass gute Missionare die Arbeit schlechter Missionare wieder gutmachen müssen, besonders wenn es um die Gründung von Gemeinden geht. Es ist so schwer, wieder gutzumachen, was schlecht begonnen wurde.

4. Gesunde Gemeinden haben hilfreiche und unterstützende Missionsstrategien. Ungesunde Gemeinden neigen dazu, egoistische Missionsstrategien zu verfolgen.

Der Prüfstein für eine gesunde Mission ist, ob eure Unterstützung feld- oder heimatbezogen ist. Hier geht es nicht um dich und deine Gemeinde, sondern um die da draußen.

Vielleicht ist die Reise nach Mexiko für die Jugend eine gute Sache, zumindest, weil sie der Jugend hilft. Aber lasst uns nicht denken, dass dadurch Jünger aus den Nationen gemacht werden; es ist vielmehr Unterstützung für das Jugendprogramm der Gemeinde. Ich habe kein Problem damit, aber nennen wir es so, wie es ist. Dieselbe Mentalität hat Auswirkungen auf wichtigere Bereiche der Mission.

Vor einigen Jahren war ich zum Beispiel dazu gezwungen, die Unterstützung für eine bedeutende Mission abzulehnen, da die Gemeinde von uns verlangte, ihre Kurzzeit-Teams zu beherbergen. Ich habe ein Buch über Kurzzeiteinsätze geschrieben; ich halte Kurzzeiteinsätze für eine gute Sache. Aber in diesem konkreten Kontext wusste ich nicht, wie ich die Kurzzeitmitarbeiter aufnehmen konnte, ohne der noch nicht etablierten Arbeit zu schaden. Die Richtlinien aber waren unflexibel und die Arbeit in einem sehr wichtigen Gebiet wäre dadurch behindert worden.

5. Gesunde Gemeinden unterstützen eine solide, auf das Evangelium ausgerichtete Lehre. Ungesunde Gemeinden exportieren Irrlehre bzw. schlechte Lehre.

Kennst du das Sprichwort: „Wenn es auf der Kanzel neblig ist, ist es in den Kirchenbänken wolkig“? Auf dem Missionsfeld wird aus den Wolken der lehrmäßigen Undurchsichtigkeit Finsternis.

Programmgesteuertes, methodisches und ergebnisorientiertes Spektakel scheint auf dem Missionsfeld besser anzukommen, vielleicht weil es mit der Autorität eines Missionars einhergeht. Unabhängig davon aber zerstört es gesunde Gemeinden.

Das Wohlstandsevangelium ist ein treffendes Beispiel dafür. Was in den USA für viele nur ein Ärgernis ist, wird im Ausland zum Fluch.

Ob wir es zugeben wollen oder nicht, das Wohlstandsevangelium ist ein amerikanisches Exportgut. Natürlich, in gewissem Sinne werden hier nur die Götter des Moloch und des Baal in ein neues modernes Gewand gehüllt. In Wahrheit aber wird dadurch das wahre Evangelium an Orten zerstört, in denen die Auswirkungen davon schlimmstmöglich sind. Die Länder, die eine gesunde Theologie des Leidens und des Ausharrens in Anfechtungen brauchen – Afrika, der Nahe Osten und Indien – werden durch den Sauerteig das Wohlstandsevangeliums zerstört.

Meine Freundin Joanna sprach einmal mit einer muslimischen Studentin und fand zu ihrem Erstaunen heraus, dass sich diese Studentin Joel Osteen ansah. „Aber“, sagte diese gescheite junge Frau, „man merkt, dass seine Botschaft nicht für Menschen ist, die wirklich leiden.“ Wir waren berührt von ihrer Einsicht, ernüchtert von der Reichweite der Fernsehprediger und traurig darüber, dass eine Muslimin erkannte, was viele christliche Menschen nicht erkennen.

6. Gesunde Gemeinden bringen Missionare hervor, die von ihnen geprägt sind. Ungesunde Gemeinden bringen ebenfalls Missionare hervor, die von ihnen geprägt sind.

Programmgesteuerte Gemeinden produzieren programmgesteuerte Christen, die programmgesteuerte Missionare werden. Gemeinden, die auf kulturelle Relevanz ausgerichtet sind, produzieren Missionare, die auf kulturelle Relevanz ausgerichtet sind. Gefühlsbetonte Gemeinden produzieren gefühlsbetonte Missionare. Christuslose Gemeinden produzieren christuslose Missionare. Und so weiter.

Gesunde Gemeinden bringen gesunde Christen hervor, die zu gesunden Missionaren werden. Wir brauchen auf dem Missionsfeld Menschen, die aus gesunden Gemeinden kommen und dort gesehen haben, wie diese funktionieren.

7. Gesunde Gemeinden wissen, was die Gemeinde ist. Ungesunde Gemeinden sind schwammig, was die Gemeinde betrifft.

Wenn ich von „gesunden Gemeinden“ rede, meine ich Gemeinden, die auf soliden und klaren biblischen Prinzipien gegründet sind. Missionare, die aus einer gesunden Gemeinde kommen, haben gesehen, wie diese funktioniert und wissen, worauf es ankommt.

Es würden wohl nur wenige leugnen, dass die Gemeinde von zentraler Bedeutung für die Mission ist. Doch wenn ich mit Missionaren spreche, die sich der Gemeindegründung verschrieben haben, sind sie oft schwammig in Bezug auf die Lehre von der Gemeinde. Und das sind dieselben Menschen, die versuchen, Gemeinden zu gründen! Ich habe sogar Gespräche mit Leuten geführt, die wichtige Positionen in Missionsorganisationen innehatten und die mit mir argumentierten, dass es keinen Unterschied zwischen einer Gemeinde und einem christlichen Werk gebe. Das ist schlichtweg falsch, und ich sage das, obwohl ich die Wichtigkeit christlicher Werke bejahe.

Dennoch möchte ich bekräftigen, dass die Gemeinde die primäre Strategie Christi für die Mission ist. Deswegen ist es für Missionare absolut unerlässlich, die Grundprinzipien dessen zu kennen, was eine Gemeinde ist und wie man sie biblisch gründet. Eine fundierte Lehre von der Gemeinde wird den Missionaren helfen, ihren Blick auf das Zentrale zu richten, während ein ungesundes Verständnis von Gemeinde die Missionare oft zu anderen Arbeiten führt.

Ich traf einmal einen Mann, der Geld von Stiftungen sammelt und zu mir sagte: „Ihr solltet nicht nur Geld sammeln, um eine Gemeinde zu bauen, ihr solltet auch ein Krankenhaus bauen! Dadurch könnten wir viel mehr Geld bekommen.“

Ich mache keine Scherze, das hat er wirklich gesagt. Ich vermute, dass das, was er sagte, tatsächlich wahr ist. Und da er und so viele andere nicht wirklich auf das Evangelium fokussiert sind, jagen sie Dingen nach, die menschlich betrachtet richtig erscheinen. Aber wir sollten bedenken, wo ein solcher Weg laut Sprüche 14,12 endet.

Meide die Versuchung, von dem klaren Weg abzukommen, den Jesus der Gemeinde vorgelegt hat, um ihren Auftrag der Jüngerschaft auszuführen. Bin ich gegen den Bau von Krankenhäusern? Überhaupt nicht. Wenn es Teil einer durchdachten langfristigen Strategie ist, das Evangelium an einem schwierigen Ort voranzubringen, dann nur zu. Wir sollten aber sicherstellen, dass das Evangelium vorangetrieben wird und die Jagd nach Geld oder sinnlosen Zielen uns nicht davon abhält, Jünger aus allen Nationen zu machen.

Der Missionsbefehl beinhaltet nicht einfach, hinzugehen und irgendwelche Projekte zu starten. Es geht darum, Jünger zu machen.

8. Gesunde Gemeinden bringen viele Missionare hervor. Ungesunde Gemeinden nicht so viele.

Hier gibt es nicht viel zu sagen. Ich habe über die Zeit bloß festgestellt, wie viele Missionare im Verhältnis zur Mitgliederzahl aus gesunden Gemeinden kommen. Ich wünschte, es gäbe mehr gesunde Gemeinden.

9. Gesunde Gemeinden beten für ihre Missionare und stehen hinter ihnen. Ungesunde Gemeinden lassen das vermissen.

Ein Ehepaar, das wegen ihres christlichen Glaubens im Iran im Gefängnis war, wurde plötzlich in Teheran entlassen und aus dem Land vertrieben. Sie waren auf der Flucht und wussten nicht, wo sie hingehen konnten. Sie hatten Angst und waren ganz alleine. Da tauchten sie bei uns zu Hause auf. Ich rief fünf Gemeinden an – gesunde Gemeinden, die hinter Missionaren standen. Jede von ihnen betete und innerhalb von einer Stunde hatten wir genügend Geld zusammen, damit das Paar eine Unterkunft mieten und einen Dienst unter Iranern in unserer Stadt anfangen konnte. Dieser Dienst dauerte Jahre an. Ich wusste, dass diese Gemeinden hinter mir standen. Es bestand eine von Vertrauen geprägte Beziehung, die für die Mission unerlässlich ist. Ich wusste, dass ich mich auf sie verlassen konnte.

Und auf einmal war mir die Antwort auf die Frage: „Mack, was können wir für dich tun?“ klar.


Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Evangelium21 übersetzt. Mehr evangeliumszentrierte Ressourcen gibt es auf evangelium21.net.