Gemeinsames Leben

Welchen Nutzen hat eine Gemeindeordnung?

Von Aaron Menikoff

Aaron Menikoff ist Hauptpastor der Mt. Vernon Baptist Church in Sandy Springs, Georgia (USA). Er und seine Frau Deana haben vier Kinder.
Artikel
01.06.2023

So unscheinbar manche Gemeindedokumente auch wirken mögen, sind sie doch wichtige Werkzeuge für Pastoren. Ich möchte in diesem Artikel die Bedeutung des Glaubensbekenntnisses, der Gemeindevereinbarung (engl. church covenant) und der Gemeindeordnung aufzeigen (Anmerkung der Red.: Die Formulierung einer Gemeindevereinbarung ist in vielen baptistischen Gemeinden der USA verbreitet und kann hilfreich sein. Dies birgt freilich auch die Gefahr der Gesetzlichkeit, vgl. die reformatorische Kritik an den Gelübden).

Das Glaubensbekenntnis

Ein Glaubensbekenntnis ist eine Zusammenfassung der Glaubensüberzeugungen, die in einer Gemeinde gelehrt werden. In der frühen Kirche stützten sich Christen auf das Apostolische Glaubensbekenntnis, das Bekenntnis von Nicäa (325 und 381 n.Chr.) und das Glaubensbekenntnis von Chalcedon (451). Die kurzen und einfachen Aussagen dieser Glaubensbekenntnisse spiegelten den christlichen Glauben an Gott und das von ihm geoffenbarte Evangelium wider. In der Reformationszeit waren protestantische Kirchen durch verschiedene Bekenntnisse in Bezug auf das Evangelium vereint, auch wenn sie wesentliche Unterschiede in Fragen der Kirchenleitung und der Taufe zum Ausdruck brachten. Das Augsburger Bekenntnis (1530), das Westminster Bekenntnis (1546), das Bekenntnis von Savoyen (1658) und das baptistische Glaubensbekenntnis von 1689 legten jeweils die Lehrüberzeugungen der Lutheraner, Presbyterianer, Kongregationalisten und Baptisten dar.

Die Kirchen des 21. Jahrhunderts würden gut daran tun, wenn sie auf diesem reichen Erbe aufbauen und ihre eigenen Glaubensbekenntnisse formulieren würden. In der Regel ist die Zustimmung zum Bekenntnis eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder die Leitung einer Kirche. Auch wenn man in den Pastoralbriefen keine Aufforderung findet, die uns verpflichtet in unseren Kirchen ein Glaubensbekenntnis anzunehmen, so ist dies doch eine weise Praxis – es wäre töricht, sie aufzugeben.

Ein Glaubensbekenntnis ist ein Geschenk für die Gemeinde und für Besucher, die wissen wollen, was diese Gemeinde glaubt. Besucher werden eher geneigt sein, uns zu vertrauen, wenn wir in Bezug auf unsere Lehre offen sind. Ein Glaubensbekenntnis ist auch ein Geschenk für die Mitarbeiter, die sich danach sehnen, das Wort Gottes treu zu vermitteln. Ein Hauskreisleiter, der das Glaubensbekenntnis seiner Kirche kennt, könnte z.B. zu dem Schluss kommen: „Ich sollte den Teilnehmern meiner Gruppe nicht sagen, dass sie an eine Vorentrückung glauben müssen!“ Ein Glaubensbekenntnis ist ein Geschenk an die Gemeindeleitung, die wissen muss, wann sie an das Gewissen eines Gemeindemitglieds appellieren darf: „Dürfen wir die gleichgeschlechtliche Ehe bejahen?“, fragt etwa ein Mitglied. „Nein“, könnte die Antwort der Ältesten lauten, „wir haben die Bibel zu diesem Thema studiert und unsere Meinung in unserem Glaubensbekenntnis zusammengefasst. Bitte lies diese Erklärung, und dann werden wir gemeinsam in der Bibel nachsehen, warum wir zu diesem Schluss gekommen sind.“ Und letztendlich ist ein Glaubensbekenntnis ein Geschenk für jedes Gemeindemitglied, weil es die Lehren hervorhebt, die uns verbinden. Schließlich ist unsere Gemeinschaft nur so tief gegründet wie unser gemeinsamer Glaube.

Anders als die Bibel sind Glaubenserklärungen natürlich nicht unfehlbar und können geändert werden, um mehr Klarheit zu schaffen. Viele Kirchen haben beispielsweise in den letzten Jahren einen Zusatz verfasst, der die biblische Sicht auf die Ehe darlegt.

Die Verwendung eines guten Glaubensbekenntnisses ist wie Bowling auf einer Bahn mit Leitplanken. So wie die Leitplanken die Bowlingkugel auf der Bahn halten, hält uns das Glaubensbekenntnis an der Wahrheit, damit wir nicht in die falsche Richtung abgleiten. Die Bibel allein ist unsere Autorität. Nach der Heiligen Schrift ist ein gutes Glaubensbekenntnis ein wichtiges Instrument zum Schutz und zur Förderung der gesunden Lehre.

Die Gemeindevereinbarung

Paulus schrieb an Timotheus: „Achte auf dich selbst und auf die Lehre“ (1Tim 4,16). Das Glaubensbekenntnis ist eine Zusammenfassung der richtigen Lehre; die Gemeindevereinbarung hingegen beschreibt den richtigen Umgang miteinander. Sie hilft Pastoren und Mitgliedern, indem sie beschreibt, wie ein christliches Leben aussieht. Bei angemessener Verwendung ermutigt sie die Mitglieder, Mitverantwortung für die Heiligkeit der anderen zu übernehmen.

Nach dem Glaubensbekenntnis hilft uns die Gemeindevereinbarung am meisten bei der Vorbereitung von Christen auf ihre Gemeindemitgliedschaft. Sie wollen nicht nur wissen, was wir glauben, sondern auch, wie wir miteinander leben wollen. Eine Gemeindevereinbarung durchzugehen ist wie ein Spaziergang durch den Park der Heiligung. Wem der Ausblick nicht gefällt, der merkt schnell, dass dies nicht die richtige Kirche für ihn ist.

In meiner Gemeinde ist es üblich, dass wir die Gemeindevereinbarung laut vorlesen, wenn wir das Abendmahl feiern. Diese Praxis wird von der Schrift nicht vorgeschrieben, aber dafür die Selbstprüfung (vgl. 1Kor 11,28). Genau das können wir tun, wenn wir uns an die Versprechen erinnern, die wir einander gegeben haben, als wir Mitglieder dieser Ortsgemeinde wurden. Wir haben nicht nur versprochen, bestimmte Dinge zu glauben, sondern auch, auf eine bestimmte Weise zu leben.

Eine Gemeindevereinbarung enthält eine Reihe von Verpflichtungen, z.B. zur persönlichen Integrität, zur brüderlichen Liebe und zur treuen Evangelisation. Das Streben nach einem gottgefälligen Leben rettet uns nicht – das ist das Werk des Geistes durch das herrliche Evangelium von Jesus Christus. Aber ein verändertes Leben ist der Beweis für die Bekehrung; und eine solche Vereinbarung hilft uns, Heiligung in den Mittelpunkt zu rücken.

Die Gemeindeordnung

Paulus schließt seine Erörterung des Gottesdienstes mit der Aussage: „Lasst alles anständig und ordentlich zugehen“ (1Kor 14,40). Er sagt damit nicht, dass jede Kirche eine Gemeindeordnung aufsetzen muss. Es geht ihm vielmehr darum, dass Gottesdienste ohne die Unstimmigkeiten ablaufen sollten, die entstehen, wenn niemand weiß, wer das Sagen hat oder was als Nächstes geschieht. Ein Glaubensbekenntnis kann viel dazu beitragen, diese Art von Ordnung zu schaffen, dennoch kann eine gute Gemeindeordnung grundlegende Fragen klären, wie etwa: Wer ist qualifiziert, Ältester oder Diakon zu sein? Wie werden sie gewählt? Wer verwaltet die Finanzen? Kann man eine Mitgliedschaft aufkündigen?

Manche halten solche Fragen bestenfalls für langweilig und schlimmstenfalls für ungeistlich. Doch kann Klarheit in diesem Bereich Mitgliedern Sicherheit geben – besonders dann, wenn man in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Gemeindeleitungen gemacht hat. Ein guter Pastor wird seiner Gemeinde sagen: „Wenn ich jemals damit anfange, etwas zu lehren, was im Widerspruch zur Heiligen Schrift steht, solltet ihr mich so schnell wie möglich loswerden.“ Gut verfasste Gemeindeordnungen sagen der Gemeinde, wie sie genau das tun kann.

Jesus forderte uns auf, „klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“ zu sein (Mt 10,16). Wir leben in einer Welt, in der die Kirchen von außen und innen angegriffen werden. Gemeinden, die sich dem Gehorsam gegenüber der Heiligen Schrift verpflichtet haben, werden Mitglieder, die unbußfertig leben und gewohnheitsmäßig sündigen, unter Gemeindezucht stellen. In der Gemeindeordnung sollte das Verfahren für den Ausschluss festgehalten und von jedem Mitglied bestätigt werden, bevor es der Gemeinde beitritt. Das wird ein verärgertes Mitglied nicht davon abhalten, die Gemeinde oder die Ältesten wegen Verleumdung anzuklagen (oder Schlimmeres zu tun), aber es ist eine Möglichkeit, weise in einer Welt zu leben, die biblische Moral ablehnt und möglicherweise eine Gemeinde angreift, die sich der Bibel verpflichtet weiß.

Ein Aufruf zu noch mehr Dokumenten

Das Glaubensbekenntnis, die Gemeindevereinbarung und die Gemeindeordnung sollten die „Top drei“-Dokumente einer jeden Gemeinde sein. Aber daneben gibt es noch weitere Dokumente, die unsere Aufmerksamkeit verdienen.

Eine Möglichkeit, die Kinder ihrer Gemeinde (und deren Eltern) zu lieben, ist ein Kinderschutzkonzept. Es kann in jeder Gemeinde vorkommen, dass jemand mit Kindern arbeitet, der sich an ihnen vergeht. Wenn man kein Konzept einführt, kommt es der Vernachlässigung der eigenen Kinder gleich.

Ein weiteres Dokument, über das man nachdenken sollte, ist ein Handbuch für die Richtlinien der Gemeinde (engl. church policy manual). So gibt es immer wieder wichtige Fragen, die nicht von der Gemeindeordnung abgedeckt werden. Was macht eure Gemeinde zum Beispiel, wenn die Einnahmen aus Spenden nicht ausreichen? Was ist, wenn es einen Überschuss gibt? Was passiert, wenn jemand 500 Euro spenden möchte, um vor der Kirche einen Springbrunnen zu bauen? Was ist, wenn jemand einen Brief an alle Gemeindemitglieder schicken möchte, um Geld für seinen Missionstrip zu sammeln? Wie geht man mit Spendenaufrufen um? Sind die Gebäude unter der Woche für die Gemeinde geöffnet?

Früher oder später werden sich die meisten Gemeinden mit solchen Fragen beschäftigen müssen. Die Antworten darauf würden die Gemeindeordnung überfrachten, aber ein gutes Handbuch kann die Lücken schließen und der Leitung viel Zeit ersparen. Eine gutes Handbuch ermöglicht mehr Einheit in der Gemeinde, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen. Und Uneinigkeit ist nicht gerade geistlich.

Schluss

Die meisten von uns denken nicht gerne über die benötigten Dokumente nach. Schließlich kommt Jesus bald wieder und es gibt viel im Bereich Evangelisation und Jüngerschaft zu tun. Das stimmt natürlich, genau darauf sollte sich eure Gemeinde konzentrieren.

Dennoch lohnt es sich, qualitativ hochwertige Dokumente zu formulieren. Wir müssen uns die Evangelisations- und Jüngerschaftsarbeit wie einen Sportwagen vorstellen. Das Bekenntnis und die anderen Dokumente sind wie eine glatte, solide Straße unter dem Auto. Wenn diese Straße in Stand gehalten wird, kann der Wagen die Ziellinie besser erreichen. Ohne eine erstklassige Straße muss das Auto langsamer fahren oder vielleicht sogar anhalten, um einen Reifen zu wechseln. Schlechte Straßen hingegen bringen selbst den besten Rennwagen unweigerlich aus dem Takt.

Eine Gemeinde ohne gute Dokumente mag für den Moment gut laufen, wird aber bald von der Hauptaufgabe abgelenkt sein. Jede Gemeinde sollte daher Zeit investieren, um die wichtigsten Dokumente aufzustellen, sie zu verfeinern und umzusetzen. Langfristig wird es jeder Gemeinde helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: auf das Evangelium.


Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Evangelium21 übersetzt. Mehr evangeliumszentrierte Ressourcen gibt es auf evangelium21.net.